Als ich nach Österreich zog, war ich sehr erstaunt, dass viele Kunsthandwerker ihre Werkstatt als Manufaktur bezeichnen. Im Gespräch erklärte man mir, es sei vom lateinischen Wort „manus“ für Hand und „factere“ für erbauen, tun, machen, herstellen abgeleitet. Mit dem Begriff Manufaktur wolle man also auf ein Produkt aufmerksam machen, dass von Hand hergestellt werde, von Hand gemacht sei. Nimmt man die reine Wortbedeutungen ist es für mich durchaus nachvollziehbar. Heutzutage möchte man mit dem Begriff Manufaktur auf eine Handfertigkeit hinweisen, die mit hoher Qualität Luxusgegenstände herzustellen vermag und sich damit von den billigen Massenwaren der Diskounter abgrenzt.
Historisch gesehen ergibt sich jedoch eine andere Sichtweise auf Manufakturen. Eine Manufaktur liegt entstehungsgeschichtlich zwischen dem Handwerksbetrieb und der Fabrik. Eine Manufaktur ist nicht mehr ein Handwerksbetrieb und noch nicht eine industriell geführte Fabrik. Ein wesentliches Kriterium ist dabei die Art der Produktionsweise. Mit den Manufakturen beginnt die einsetzende Arbeitsteilung. Die zunehmend forcierte Zergliederung der Arbeitsabläufe hat das Ziel eine große Menge an Waren herzustellen. Vermehrt können mit Hilfe der Aufspaltung des Produktionsprozesse Hilfskräfte eingestellt werden, die nur noch für einen Teilbereich angelernt werden müssen und die Lohnkosten damit niedrig halten. Manufakturen sind größere Gewerbebetriebe vor allem zur Zeit des Merkantilismus. Sie dienten der Herstellung von Exportgütern, insbesondere der Tuch-, Seiden-, Porzellan- und Spiegelmanufakturen. Manufakturen erhielten eine staatliche Förderung und durften billige Arbeitskräfte aus Strafanstalten, Armen- und Waisenhäusern rekrutieren.[1] „Sozial erfasste die Manufaktur überwiegend eine außerzünftige städtische Bevölkerung. Der Übergang zur Industrie ist vor allem in der 1. Hälfte des 19.Jahrhunderts fließend.“[2]
In einem klassischen Handwerksbetrieb findet man den Meister mit Gesellen und Lehrlingen. Der Meister gibt seine geistigen Erfahrungen und Fertigkeiten an die Gesellen und Lehrlinge weiter. Es ist eine Ausbildungsform die durch „learning by doing“ gekennzeichnet ist. Im Laufe der Lehrjahre soll der Lehrling vor allem ein Gespür fürs Material erlangen. Die Produktionsmittel sind im Besitz des Handwerkers. Es gibt keine Arbeitsteilung. EinePerson ist an der Herstellung eines Stückes beteiligt. Eine Zergliederung des Arbeitsschritte und Aufteilung auf mehrere Personen ist in einem klassischen Handwerksbetrieb nicht vorgesehen. Ein Handwerkerker hinterlässt seine Spuren auf den Erzeugnissen. Das was er herstellt ist von seiner Person geprägt. Eine handwerkliche Tätigkeit ist nicht anonym und der einzelene Handwerker ist nicht austauschbar wie ein Hilfsarbeiter in der Fabrik.
Was bedeutet dies für das Handwerk des Töpfers? Bis man aus Ton ein Gefäß auf der Töpferscheibe drehen kann, so wie man sich vorstellt, also ein Gespür für das Material Ton entwickelt hat, dauert es einige Jahre. Drei Lehrjahre sind dafür eine angemessene Zeit. Das Drehen auf der Töpferscheibe ist damit keine einfache Anlernzeit, sondern erfordert viele Monate, Jahre des Übens. Ganz anders ist es, wenn Gießformen genutzt werden, wie in einer Porzellanmanufaktur. Das Herstellen von Gefäßen mit Hilfe von Gießformen ist in kurzer Zeit erlernbar und von jedem ausführbar, also eine anonyme Tätigkeit. Bei Scheibentöpfern sieht man auch, wenn alle die gleiche Form drehen, welcher Töpfer welches gedreht hat. Die Person des Töpfers fließt in das Gefäß beim Herstellen mit ein. In einer Manufaktur wird die Form von Designern und die Glasur von Ingenieuren entwickelt. In einem Handwerksbetrieb entwickelt der Töpfer seine ganz eigene Formensprache und vor allem seine eigene Glasur, sie für die ganze Werkstatt repräsentativ ist und als ein Geheimnis streng bewacht wird. Aber ganz besonders spürt man, dass Gefäße aus einer Töpferei, die also auf einer Töpferscheibe gedreht wurden, – eine „Seele“ haben.
Kann man die historische Entwicklung eines Begriffs einfach ignorieren?
[1] Wörterbuch zur deutschen Geschichte (1987), Bd. 2, Stichwort Manufaktur
[2] Meyers großes Taschenlexikon (1987), Bd. 14, Stichwort Manufaktur
A
„Saechsische Porzellanmanufaktur“ von Unbekannt – Bookscan. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Saechsische_Porzellanmanufaktur. jpg#/media/File:Saechsische_Porzellanmanufaktur.jpg
B
Archälogisches Lexikon, Hafner an der Blockscheibe, Mittelalter. Experimentelle Archäologie in Deutschland, S. 311
Hallo
Mir haben ihre Informationen über Handwerk und Manufaktoren sehr gefallen und waren sehr Hifreich.
Dankeschön
Viele Göße
Mara
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